Eine Klanginstallation zwischen dem Dom zu Notre-Dame und den Eishöhlen am Dachstein. Bill Fontana setzt ein künstlerisches Statement zum Klimawandel und zur Zerbrechlichkeit von Kultur und Natur.
2019 brennt Notre-Dame. Die beiden Türme, in denen die zehn Glocken der Kirche hängen, bleiben weitgehend verschont. Weltweit wird über den Brand berichtet und auch über die Glocken, die scheinbar stumm im Nord- und Südturm verbleiben, stumm, bis heute. Der kalifornische Sound Artist Bill Fontana liest über den Brand und verfolgt den Beginn der Arbeiten an der Kathedrale. Viele seiner spektakulären künstlerischen Arbeiten beschäftigen sich mit dem inneren Klang von Objekten und vor allem ganzen Bauwerken. Mit sogenannten Accelerometern, hochsensiblen Vibrationssensoren, übertrug er zum Beispiel den Klang der Golden Gate Bridge in Museen.
Fontanas künstlerischer Ansatz geht davon aus, dass auch Glocken „hören“, „sie reflektieren die Geräusche ihrer Umgebung“. 2020 hatte Bill Fontana die Idee, diese Resonanzen live in ein Museum zu übertragen und 2022 gelang es ihm dann mit Unterstützung vieler Partner:innen, vor allem mit der Hilfe des Instituts für akustische und musikalische Forschung IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique), die Soundarbeit Silent Echoes: Notre-Dame auf der Dachterrasse des Centre Pompidou permanent zu installieren. Im selben Jahr entstand die Idee, Fontana mit dem Projekt Silent Echoes: Notre-Dame im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 einzuladen und die Glocken von Notre-Dame in den spektakulären Eishöhlen am Dachstein hörbar zu machen.
Österreich könnte 2075 gletscherfrei sein, warnen Glaziolog:innen angesichts von Klimawandel und Erderwärmung. Auch der Dachstein-Gletscher ist davon massiv betroffen.
Bei Recherchen am Gletscher fand Bill Fontana im Salzkammergut eine technische Lösung, um das fortschreitende Schmelzen des Gletschers live hörbar zu machen und beide Klänge, Notre-Dame und den Schmelzwasserfluss am Dachstein, zu einem Duett zu verbinden, das, so Fontana, „ein künstlerisches Statement zum Klimawandel und zur Zerbrechlichkeit von Kultur und Natur“ darstellen soll.
Silent Echoes: Dachstein wird am 3. September 2024 feierlich in den Eishöhlen am Dachstein eröffnet. Am 4. September 2024, von 00:00 bis 04:00 Uhr und von 21:30 bis 22:00 Uhr, wird Silent Echoes: Dachstein anlässlich des 200. Geburtstages von Anton Bruckner im Rahmen des Ars Electronica Festivals und des 24-Stunden-Geburtstagsfests für Anton Bruckner live aus den Eishöhlen am Dachstein in den Mariendom in Linz übertragen.
Ein Text von Wolfgang Schlag
